Künstliche Intelligenz: Fluch oder Segen?

Mein neuer Blogtext hat eine ganze Weile auf sich warten lassen. Ich habe es einfach nicht geschafft, den Text fertigzustellen. Jedes Mal, wenn ich mich ans Texten machen wollte, kamen wieder neue Übersetzungsaufträge. Und die gehen natürlich vor. Ob ich noch eben diesen und jenen Text übersetzen kann? Und wenn es geht, bitte noch vor der wichtigen Messe, vor Weihnachten, vor dem neuen Jahr,  etc. Ja, klar, kann ich. Das ist schließlich mein Job und davon lebe ich.

Einsatz von KI

Allerdings muss ich zugeben, dass ich insgeheim auch froh war, dass ich das Verfassen des Textes noch eine Weile vor mir herschieben konnte. Und das hat alles mit dem Thema zu tun. KI, also künstliche Intelligenz bzw. AI, Artificial Intelligence. Mittlerweile in jeder Munde, scheint mir, und jede(r) meint zu wissen, was KI kann und welche Folgen der Einsatz von KI für die Menschheit hat. Und für uns Übersetzer*innen. (Übrigens sollte man im Niederländischen nicht von KI sprechen. Den Fehler habe ich vor Kurzem bei einer niederländischen Kollegin gemacht, die mich freundlicherweise darauf hingewiesen hat, dass KI im Niederländischen „kunstmatige inseminatie“, also künstliche Befruchtung bedeutet. Die Niederländer sprechen über AI, also Artificial Intelligence.) KI wird anscheinend mittlerweile schon auf den unterschiedlichsten Bereichen/Gebieten eingesetzt, beispielsweise in der Medizin, in der Industrie, Logistik, im Kundenservice und Marketing, im Verkehr, in der Cybersicherheit.

Auswirkungen für Übersetzer*innen

Viele meiner Kolleg*innen fürchten die Auswirkungen von KI: weniger Aufträge, statt Übersetzungsaufträgen nur noch Lektorat bzw. Korrektorat von Texten. Oder überhaupt keine Aufträge, weil der Kunde die Texte mithilfe der einen Software übersetzen und einer anderen Software korrigieren lässt. Dann sind wir Übersetzer*innen überflüssig. Ich muss zugeben, dass ich mich bis vor Kurzem noch nicht so mit dem Thema beschäftigt habe. Keine Zeit, habe ich behauptet, aber vielleicht wollte ich mich einfach nicht mit einem Thema beschäftigen, das anscheinend wie ein Damoklesschwert über vielen Berufsgruppen zu hängen scheint, die mit Texten zu tun haben, egal ob Journalisten, Lektoren, freien Autoren etc. (Vielleicht gilt das auch für viele andere Berufsgruppen, aber das kann ich nicht beurteilen.)

Neuorientierung

In den Social-Media-Gruppen lese ich immer häufiger, dass Übersetzer*innen die Folgen von KI (und der Wirtschaftskrise!) deutlich spüren und sich daher anderweitig orientieren. Entweder geben sie ihre Jobs als Freiberufler auf und bewerben sich bei (großen) Übersetzungsbüros, sie orientieren sich ganz neu oder aber sie suchen sich ein zweites Standbein. Allerdings habe ich in den letzten Wochen auch regelmäßig gehört bzw. gelesen, dass Übersetzungsbüros Insolvenz anmelden oder fusionieren. Ob das allerdings eher an der wirtschaftlichen Situation oder an den Folgen von KI liegt, ist mir nicht ganz klar.

KI-Test   

Im Herbst bekam ich eine Anfrage eines Kunden, für den ich schon seit Jahren Texte vom Niederländischen ins Deutsche übersetze. Die Frage lautete, ob ich auch mithilfe von ChatGPT übersetzte Texte korrigieren würde, oder ob ich das grundsätzlich nicht mache. Da ich ziemlich neugierig bin, habe ich unter der Bedingung zugesagt, dass ich die Originaltexte erhalte und dass ich die zu korrigierenden Texte vorab einsehen kann. Um einschätzen zu können, wie lange ich für die Korrektor bzw. das Lektorat benötige, muss ich natürlich die Qualität der übersetzten Texte beurteilen können. So gesagt, so getan. Ich muss gestehen, dass ich teilweise über die Qualität der Übersetzung gestaunt habe. Manche Begriffe bzw. Sätze waren richtig gut übersetzet. Das Ergebnis wurde allerdings durch absolute „Unsinnsätze“ und schlichtweg falsch übersetzte Begriffe kompensiert. Bei einer Anfrage eines Neukunden habe ich ähnliche Erfahrungen gemacht. Mein Fazit lautet derzeit: Ich denke, dass KI drastische Folgen für uns Übersetzer*innen haben wird. Das wird aber noch eine Weile dauern. Die Frage ist allerdings: wie lange …

 

Aus dem Büro

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